Stilvoll das Maul aufreißen.

Stilvoll das Maul aufreißen.
3. März 2016 manuel

Cyrill ist ein echter Sprücheklopfer. Einer von der feinfühligen, geschmackvollen Sorte allerdings. Unter dem Künstlernamen RYLSEE entwirft er visuelle Kunstwerke und spielt mit Typografien. In ganz klein und ganz groß.

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A ist sein Cyrils Lieblingsbuchstabe. Der gibt gestalterisch mehr her als die 25 anderen.

Mit den gestalterischen Sprüchen ist das so eine Sache. Das Gros der Lettern auf Kleidung oder Wänden ist ziemlich ungenießbar. Man denke nur an das geschwungene “Carpe Diem” auf Raufasertapete in Terrakotta-Wischtechnik. Oder an die T-Shirts auf denen ein gedrucktes “I’m with stupid” samt Pfeil auf den Nebenmann des Trägers verweist. Wobei – zumindest die stupid-Shirts hätten eigentlich mal ein Revival verdient. So oder so: Wenn sprachlicher Inhalt auf entwerferische Typografie trifft, ist Fingerspitzengefühl gefragt.

Einer der es kann ist Cyril Vouilloz aka RYLSEE. Der Visual Artist und passionierte Sprücheklopfer hat eine Vorliebe für typografische Arbeiten, die auf den unerwarteten Moment bauen. Und die echt so gar nichts mit terrakottafarbenen Raufasertapeten zu tun haben. “Ich hasse all diese inspirierenden Zitate, die man überall im Internet findet. Alles was mit ‘Keep calm and…’ anfängt.”, sagt er, “Ich halte auf der Suche nach passenden Sprüchen lieber meine Ohren offen. Mir ist wichtig, dass meine Arbeiten zugänglich sind. Dass man keinen arty Hintergrund braucht, um sie zu verstehen.”

Auf dem sechsstöckigen Hochhaus fühlt sich Cyril genauso wohl wie auf dem Notizbuch.

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Eigentlich gar nicht so schüchtern: Die Shirts von SNEEER machen klare Ansagen.

Wenn er sich einen Lieblingsspruch aussuchen müsse, dann wäre das sein grundsätzliches Motto: “TOO SHY TO RAP”. In Versalien versteht sich. Dass man zu schüchtern ist, um zu rappen, kann jetzt auch jeder andere zum Ausdruck bringen: Vor Kurzem hat Cyril mit seinem Bruder Yann das Modelabel “SNEEER” auf die Beine gestellt. Neben seinem Lieblingsspruch prangen auch ein schmissiges “I went to your Hood – they don’t know you” oder einfach “Awkward” auf T-Shirts, Hoodies und Turnbeuteln.

“Die Marke ist eine interessante neue Herausforderung”, sagt Cyril. Textilien spielen in seinem Schaffen bisher eine untergeordnete Rolle. Dafür haben es einige Illustrationen und Typografien von Cyril aus seinem kleinen Zeichenblock auf ganz große Flächen geschafft. In Form von Murals bespielen Cyrils Sätze mittlerweile ganze Häuserwände. “Ich fühle mich auf meinem Notizbuch genauso wohl, wie auf einem sechsstöckigen Hochhaus”, sagt er, “aber jede Arbeit fängt auf einem kleinen Stück Papier an. Wenn es im Kleinen funktioniert, funktioniert es auch ganz groß.”

Cyril freut sich, wenn die Leute seine Arbeiten witzig finden. Und wenn seine Oma ihm auf Whatsapp schreibt.

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Fuck Selfies! Fuck Photoshop!

Zum Beispiel in Berlin: “I wish you could be as cute as your profile picture” steht auf einer Häuserwand. “Immer wieder wird ein Foto davon von irgendjemandem auf Instagram geteilt und die Leute haben ihren Spaß daran”, sagt Cyril, “Es fühlt sich gut an, etwas zu entwerfen, das jemanden den Tag versüßt.” Das Ziel seiner Arbeiten ist damit klar: “Es ist ganz einfach, ich habe gerne Spaß und bringe die Menschen gerne zum lachen”.

Auch ihn selbst inspirieren vor allem die witzigen kleinen Momente im Leben, die Kuriosität des Alltags, die Situationskomik. “Die erste Whatsapp-Nachricht von meiner Oma neulich war auf jeden Fall so ein Moment. Das war irgendwie vertrippt.”, sagt Cyril, “Die Vorstellung, dass sie in den 30ern in einem kleinen Bergdorf mit Außentoiletten und ohne Elektrizität aufgewachsen ist und jetzt auf diese Art mit mir kommuniziert, ohne eigentlich das Konzept des Internets so richtig zu verstehen, ist total abgefahren.” Das sei der letzte inspirierende Augenblick, an den er sich spontan erinnern kann.

Cyrils Gedächtnis ist intakt. Vielleicht weil er noch gar nicht so lange in Berlin ist.

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Kennt man: “Willkürliches inspirierendes Zitat auf namenlosem Landschaftsbild”.

Mit der Erinnerung ist das in Berlin ja auch nicht immer leicht. Die ist von vielen Partynächten und -tagen und -nächten und -tagen manchmal ein bisschen löchrig. Rylsee ist erst seit rund vier Jahren in der Stadt, deswegen funktioniert sein Gehirn noch ganz gut. “So lange ich denken kann, bin ich am Zeichnen”, sagt er, “außer als Teenager, da habe ich ein paar Jahre ausgesetzt, weil ich mich für nichts anderes als Skateboards interessiert habe.”

Irgendwann ist er dann trotzdem noch auf der Kunst-Uni gelandet und hat in seiner Schweizer Heimat Genf Grafik studiert. Auf Agentur-Arbeit hatte er nach seinem Diplom 2009 aber keine Lust. “Ich wollte lieber reisen und von den Leuten lernen die ich auf meinem Weg kennen lerne”, sagt Cyril. Nach Stationen im kanadischen Vancouver und São Paulo in Brasilien hat es ihn nach Berlin geschwemmt. Entgegen der meisten Leute, die er hier kennt, sei es nie sein Plan gewesen einmal hier zu leben.

Alles für die Street Credibility: Wir holen Künstler von der Friedrichshainer Straße.

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Buchstabensalat.

Trotzdem ist er jetzt ziemlich froh da zu sein. Als Resident Artist ist er Teil von “Urban Spree”, diesem riesigen Künstlerkollektiv-Open Space-Party-Biergarten-Dings auf dem RAW-Gelände. Seine “Familie”, wie er sagt. Auf 300 Quadratmetern tummeln sich hier Galerie, Kunstbuchhandel, Konzerthalle, Bars und jede Menge kreative Nerds direkt an der Revaler Straße. Moment mal – Revaler Straße? Da war doch was! Stimmt, der Friedrichshainer Party-Straßen-Klassiker ist in letzter Zeit ganz schön in Verruf geraten. Zustände wie in der Bronx, richtig heißes Pflaster. Kunst trifft auf Straße also, Bumms-Techno im Brennpunkt.

Davon sieht man auch was auf dem Bogen den Cyril aka RYLSEE (Auch sein Künstlername wird natürlich groß geschrieben) für uns entworfen hat. Darauf gibt es natürlich ein paar Buchstaben zu sehen, klar. Aber nicht nur! Neben “My Ex’s Name”, “Your Name”, “Marie” und “Lame” hat sich Cyril auch Symbole wie Schnapsflasche oder Kippenstummel ausgedacht.

RYLSEE Tattoos

Temporary Tattoos by RYLSEE

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